E U R O P A F O R U M

SPD Schleswig-Holstein

18. Juli 2012

Schengen
Schengen stärken, statt ausgrenzen

Im Juni 2011 demonstrierten die Jusos zusammen mit ihrer dänischen Schwesterorganisation getragen von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an der deutsch-dänischen Grenze. Dieser Protest gegen die Politik der seinerzeit konservativen dänischen Regierung war richtig und wichtig. Heute, ein Jahr später, ist die erfolgreichste Errungenschaft der Europäischen Union – nämlich die Möglichkeit des freien Reiseverkehrs unserer Bürgerinnen und Bürger – noch weitaus stärker bedroht.

Im diesem Juni trafen sich die Innenminister der 27 EU-Mitgliedsstaaten in Luxemburg und fällten eine Grundsatzentscheidung zur Reform des Schengen-Abkommens. Einzelne EU-Länder dürfen künftig im Alleingang ihre Grenzen wieder dicht machen, ohne dass die Kommission in Brüssel Einspruch erheben kann. Außerdem beschlossen die Innenminister der EU-Staaten einen neuen Notfallmechanismus: Grenzen können demnach bis zu zwei Jahren geschlossen werden, wenn „außergewöhnliche Umstände das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt ohne interne Grenzkontrollen gefährden“. Dieser Beschluss ist ein unmittelbaren Angriff auf die Freiheit und Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger Europas. Der politische Umbruch in Nordafrika diente den Innenministern als Vorwand zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen. In der Tat flohen 2011 rund 58000 Nordafrikaner aus ihren Heimatländern auf der Suche nach einer besseren Zukunft nach Europa. Rund 1500 verloren bei dem Versuch ihr Leben. Die EU sprach von einer Flüchtlingswelle mit historischem Ausmaß.

Es ist vor allem ein humanitäres und politisches Drama. Es ist beschämend, dass für den Umgang mit Flüchtlingen aus unseren Nachbarländern bisher keine europäische Antwort gefunden wird und die Menschen kaum Hilfe erhalten. Europa hat die autoritären Regime vor dem „Arabischen Frühling“ genutzt und auch unterstützt, um die Migration aus dem Norden Afrikas einzudämmen. Nun wäre Europas helfende Hand gefragt, um die Entwicklung der jungen Demokratien im Süden Europas zu unterstützen und eine geregelte Migration zu ermöglichen. Abschottung ist dabei die falsche Antwort auf die Freiheit, die sich in Tunesien und anderorts ihren Weg gegen Potentaten erkämpft hat. Auch innenpolitisch sind die von den Innenministern signalisieren Grenzkontrollen ein falsches Signal. Mit dieser Politik werden rechtspopulistische Position unterstützt. Migration und Flüchtlingszuläufe sind keine Bedrohung der politischen Ordnung oder der inneren Sicherheit. Sie dazu zu stilisieren, schürt Ängste in der eigenen Bevölkerung. Flüchtlinge zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erklären ist schlicht unredlich.

Die EU darf den europäischen Regierungen nicht erlauben, ihre Binnengrenzen zu schließen, wenn sie mit einem massenhaften Zustrom von Migranten aus Drittländern konfrontiert sind. Wir brauchen keine Grenzkontrollen. Wir brauchen endlich eine einheitliche, europäische Asylpolitik, die ihren Namen verdient. Probleme an den Außengrenzen müssen konkret benannt und gelöst werden. Sichere Außengrenzen sind ein gemeinsames Interesse. Daher müssen wir uns auch gemeinsam darum kümmern, anstatt die Reisefreiheit der Bürger und die Möglichkeiten des Zusammenwachsens zu beschränken. Neue Schutzklauseln dürfen nicht der Anfang vom Ende des gemeinsamen Europas werden.

Langfristig muss eine gesteuerte legale Migration mit Ziel der Behebung des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften gefördert und eine langfristige sowie ernsthafte Zusammenarbeit mit den Ländern des südlichen Mittelmeerraums entwickelt werden. So werden die Ursachen der Flucht angepackt. Wir in Europa brauchen den Austausch mit unseren südlichen Nachbarn und sollten nicht einfach den Schlagbaum runterlassen.

Kurzfristig geht es erst einmal darum, den Vorstoß der EU-Innenminister zu stoppen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Ankündigung des Europäischen Parlaments die Zusammenarbeit mit dem Rat zu kappen, insbesondere weil dem Parlament das Mitspracherecht bei dem Verfahren abgesprochen wurde. Die Vorsitzenden aller großen Fraktion haben beschlossen über Parteigrenzen hinweg, mehrere Gesetzgebungsverfahren auszusetzen, teilte Parlamentspräsident Martin Schulz Mitte Juni mit.

Der Sozialdemokrat machte dabei auch deutlich, dass ein vernünftiger und angemessener Umgang mit den Flüchtenden möglich gewesen wäre, wenn nur europäisch gehandelt und Schengen richtig umgesetzt würde. „Das Problem, das Italien in Lampedusa hatte, wäre leicht zu regeln gewesen, wenn endlich die im Schengener Abkommen vorgesehene Lastenteilung angewandt würde. Das ist seit 30 Jahren in der Diskussion. Wenn 20000 Menschen auf Lampedusa sitzen, die anschließend unter 500 Millionen Menschen in 27 EU-Staaten aufgeteilt werden, ist das für das einzelne Land kein Problem.“
Es geht also darum, Grenzen abzubauen und mit klaren Regeln zu versehen. Vor allem muss der dem Schengen-Abkommen zu Grunde liegende Gedanke der Zusammenarbeit, der Freiheit und der Freizügigkeit in unserer heutigen Zeit gestärkt werden.

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