E U R O P A F O R U M

SPD Schleswig-Holstein

5. August 2012

Spanien
Öffentliche Unterstützung für den Euro in Spanien

Die spanische Regierung hat seit letzten Dezember, seitdem Rajoy im Amt ist, drakonische Maßnahmen angekündigt. Die Maßnahmen beinhalten starke Einschnitte, aber auch Erhöhungen von Verbrauchssteuern, die das Konsumverhalten betreffen und die Mittelklasse bestrafen. So wird zum Beispiel die normale Mehrwertsteuer von 18% auf 21% im September angehoben  und die Arbeitslosengelder werden nach den ersten sechs Monaten reduziert. Die spanische Bevölerung hat den Eindruck, dass diese restriktiven Maßnahmen in Deutschland im Jahr 2002 zwar funktioniert haben – aber die Deutschen befanden sich damals nicht in einer Rezession. Die Spanier sehen den Tatsachen ins Auge und akzeptieren mit einem gewissen Widerwillen, dass die schlechte wirtschaftliche Lage ihres Landes nur über einen längeren Zeitraum überwunden werden kann. Nachdem die Menschen das Leiden ihrer europäischen Nachbarn erlebt haben, haben die Spanier signifikanten Steuererhöhungen und der Verschlechterung ihrer persönlichen Wirtschaftslage mit stoischer Resignation akzeptiert. Fraglich ist, wann diese Maßnahmen Erfolg haben werden.

Die Spanier haben lange akzeptiert, dass die politisch unangenehmen Maßnahmen für ihr Land direkt aus Brüssel kommen. Am 19. Juli hat der Deutsche Bundestag dem Rettungspaket für Spanien mit großer Mehrheit zugestimmt. Dieses Rettungspaket wird bei der Rekapitalisierung der spanischen Banken helfen, die unter dem Platzen der Immobilienblase leiden. Zu selben Zeit klettern die Zinsen für spanische Staatsanleihen in unerträglicher Art und Weise. Trotz Budgetkürzungen hat die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zur Folge, dass sich die Regierung immer schwieriger refinanzieren kann. Die Finanzmärkte scheinen Rajoy nicht zu trauen, was vielleicht etwas mit der Entscheidung des  EU-Finanzministerrat (ECOFIN) vom 10. Juli zu tun hat, die spanische Defizitgrenze auf 6,3% der BIP anzuheben.

Sicher fürchten die Spanier auf der Straße keine Banken- und/oder Staatspleite aufgrund zu hoher Refinanzierungszinsen am Anleihemarkt. Es gibt eher ein generelles Gefühl der Enttäuschung, denn die Arbeitslosenrate steht bei 24% und nichts scheint dagegen zu helfen. Die Leute fragen sich, ob das Rettungspaket für die spanischen Banken ihrer Wirtschaft überhaupt nutzen wird, denn das Geld des Rettungspakets ist eine Restrukturierungshilfe, um die Schulden der Institute abzubauen. Die Bürger sind skeptischer geworden, ob die Banken tatsächlich leichter Kredite an Familien und kleinere Unternehmen vergeben.

Die Wahrheit ist, dass einige der spanischen Banken eigene Kontrolle abgeben und dass dadurch Kunden mit Verlusten rechnen müssen. Im Kontext von Sparsamkeit und Einschränkungen könnte dies populistische Ressentiments gegenüber einem spanischen Verlust an Souveränität nähren. Rajoy sagt, dass es keine schnelle Lösung für die wirtschaftliche Erholung Spaniens gebe, so dass Jahre der Enthaltsamkeit vor uns liegen. Nationale Wirtschaftsdaten bestätigen dagegen immer weiter, dass eine noch schmerzhaftere Zukunft mit Rekordarbeitslosigkeit zu erwarten ist.

Dennoch entwickeln sich die Spanische Exporte positiv und nicht zu  vergessen, ist die wachsende Schattenwirtschaft. Idealerweise sollte die Regierung Anreize setzen, damit sich die Menschen selbständig machen, wenn die Firmen nicht mehr einstellen. Eine einfachere Übernahme von Risiken könnte diesen Ansatz unterstützen. Das würde jedoch Steuersenkungen bedeuten, die dem derzeitigen Regierungsprogramm diametral entgegensteht, das Defizit abzubauen.

Darüber hinaus beschuldigen die Spaniern nicht etwa Europa oder bedauern den Verlust von wirtschaftlicher Autonomie, denn sie sind mehr und mehr überzeugt, dass die spanische Situation die Konsequenz eines inadäquaten Politik- und Bankestablishments ist gepaart mit Vetternwirtschaft. Es muss betont werden, dass niemand zu sagen vermag, welchen Plan Rajoy für das Land verfolgt. Wenn man nun ein bisschen Unsicherheit zu diesem allgemeinen empörenden Gefühl gegenüber der politischen Klasse hinzufügt, fragen sich die Menschen: Was kommt als nächstes?

Über die Rolle Deutschlands muss man sagen, dass normalerweise spanische Zeitungen den deutschen Wähler mit einem starken Gefühl des Widerwillens gegenüber der finanziellen Rettung gefährdeter Staaten klassifizieren. Parallel dazu beschuldigen einige Ökonomen und Analysten Deutschland für die orthodoxe Geldpolitik der EZB und eine zu große Angst vor Inflation. Eine große Mehrheit denkt, dass es Deutschlands politische und moralische Schuldigkeit ist, Spanien zu helfen, da die Deutschen am meisten von der einheitlichen Währung profitieren. Letzteres vor allen Dingen durch eine hohe Exportquote und einem leichten Zugang zu Finanzierung. Andere hingegen räumen ein, dass der Widerwille zum Helfen eine logische Reaktion von Steuerzahlern sei.

Die Wahrheit ist allerdings, dass die Spanier nicht wirklich gespalten sind über diese Frage. Es gibt eine breite Überzeugung, dass die Deutschen sogar mehr pro-europäisch sind als die Spaniern oder sonst irgendjemand in Europa. Viele Menschen haben die Ansicht, dass der Euro ein deutsches Konstrukt ist und in Spanien haben viele die Überzeugung, dass Merkel einen guten Job macht, um den Euro in schwierigen Zeiten am Leben zu halten und nicht zum Teufel zu schicken. Die öffentliche Unterstützung für den Euro hat in Spanien nicht abgenommen.

Die Menschen kritisieren an der EU Politik den sprachlichen Gebrauch von Superlativen und unbelegten Sachzwangargumenten. Es ist schwer zu sagen, ob Verpflichtungen gegenüber der EU, z. B. der volle Verlust der Haushaltskontrolle etc., eine andere Reaktion als Resignation erzeugen kann.

Heute ist es in jedem Fall wichtig zu verstehen, welche Relevanz das spanischen Bankensystem und die politische Korruption für die Unterstützung des europäischen Projektes hat. Die Spanier vertrauen der Troika (vielleicht müssen sie vertrauen) sicher mehr, als den Banken des eigenen Landes oder den politischen Institutionen, die es nicht geschafft haben, die derzeitige Situation zu erkennen und zu verhindern. Das positive Votum des Bundestages gibt Merkel nun sicher die Freiheit, das zu tun, was getan werden muss, um die Einheitswährung nachhaltig zu sichern. Die wichtigste Sache aber ist, dass das positive Votum die Spanier wieder in europäische Solidarität glauben lassen könnte.

Autorin des Beitrages ist die Spanierin Eva Peña. Mehr europäische Gedanken sind auf Ihrem Blog „Eva En Europa“ zu finden.

Gastautorin

Eva Peña: Born in Barcelona. Writer and Researcher in EU governance. Financial Analyst. MA in International Relations and European Integration. Diploma in EU Affairs. MA & BA in Translation and Interpreting. Writing my PhD Thesis on Federalization of EU economic governance. I take part in local media mainly in debates about EU politics and economic affairs.

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