
Jahresversammlung & Positionspapier des Deutsch-Nordischen sozialdemokratischen Jugendnetzwerks
Vom 18. bis 20. Mai 2018 traf sich das Deutsch-Nordische sozialdemokratische Jugendnetzwerk (‘GNSDY’ = German-Nordic Social Democratic Youth Network) in Stockholm, um über Politik zu diskutieren. Vertreter der Jusos aus den Kreisverbänden Flensburg, Steinburg und der Hochschulgruppe Flensburg trafen sich mit sozialdemokratischen Schwesterverbänden aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland.
Projektinitiatorin des GNSDY, Wiebke Mohr (Jusos Flensburg), zeigte sich sehr zufrieden mit der Entwicklung der Zusammenarbeit. “Unsere Verbände verstehen sich als Teil einer internationalen Familie und der Austausch über Grenzen hinweg liegt uns natürlicherweise am Herzen. Dass es aber gelungen ist so viele junge Menschen aus unterschiedlichsten Ländern zusammenzubringen ist keine Selbstverständlichkeit und deswegen ein großer Erfolg.”
Das German-Nordic Social Democratic Youth Network (‘GNSDY’) wurde im vergangenen Jahr in Flensburg durch Initiative von Wiebke Mohr und den Jusos Schleswig-Flensburg, Flensburg, Nordfriesland und Neumünster sowie mit Vertretern des Sveriges Socialdemokratiska Ungdomsförbund (SSU) Stockholm gegründet und umfasst neben den skandinavischen Ländern und Deutschland auch die finnischen und isländischen sozialdemokratischen Jugendverbände.
In Stockholm wurden intensiv die Bereiche Bildung, Migration, Ökonomie, Umwelt und Gesundheit diskutiert. Es zeigte sich, dass es viele gemeinsame Herausforderungen gibt und für viele Probleme rein nationale Lösungen nicht mehr ausreichend sind. Die gemeinsamen Positionen wurden in einem Positionspapier, welches hier PositionPaper_GNSDY2018 einsehbar ist, festgehalten.
Jan-Hannes Schäfer (Teilnehmer aus Nordfriesland und Leiter der Jusos-Delegation) beschreibt das Treffen folgendermaßen: “Wir haben festgestellt, dass trotz unterschiedlicher Systeme viele Problemursachen ähnlich sind und anschließend mögliche Lösungen für die drängendsten Schieflagen diskutiert. Ein gemeinsames Positionspapier, welches wir jetzt in unsere Organisationen und Mutterparteien tragen wollen, wird Startpunkt sein für weitere Diskussionen.”
Kernpunkte waren der Kampf gegen Steuerflucht, ein Quotensystem für Geflüchtete, die gerecht über alle europäischen Staaten verteilt werden sollen, die Frage der psychischen Gesundheit bei Jugendlichen, sowie eine ökologische Wende beispielsweise durch kostenfreien ÖPNV.
Ein anderer Teilnehmer, Patrick Lange, Student an der Universität Flensburg, bemerkte aber auch unterschiedliche Sichtweisen: “Während wir uns bei wirtschaftlichen Fragen wie beispielsweise der Einführung einer Finanztransaktionssteuer und dem Kampf gegen Steuerflucht einig waren, gab es doch unterschiedliche Auffassungen in den Bereichen Migration und Umwelt. Nichtsdestotrotz gab es eine starke gemeinsame Wertegrundlage.”
Das nächste Treffen des Netzwerkes soll im kommenden Jahr stattfinden und die gemeinsame Arbeit fortgeführt werden. Die 2019 anstehenden Europaparlamentswahlen werden voraussichtlich einen Kernpunkt des Treffens ausmachen. Im September dieses Jahres stehen in Schweden zunächst Wahlen an. Die schwedischen jungen Sozialdemokraten luden die Teilnehmenden aus Deutschland nach Stockholm ein. Die sozialdemokratische Regierung wird dann hoffentlich im Amt bestätigt.
- GNSDY 2018 mit Experten
- Projektinitiatorin Wiebke Mohr, Jusos Flensburg
- GNSDY 2018 sammelt sich
- Vorstellung DSU Sydjylland
- Gemeinsames Abendbrot und ‚Mingel‘
- Kennenlernen in gemütlicher Runde – „Samkväm“
- Projektkoordinatorin Lara Badinson, SSU Stockholm
- Expertenrunde (von links nach rechts): Serkan Köse, Roger Persson Österman, Olle Burell, Johanna Salmi, Dag Larsson
- AG Gesundheitspolitik mit Experte und Regionsparlamentsmitglied Dag Larsson (S)
- AG Migrationspolitik mit Experte und Reichstagsmitglied Serkan Käse (S)
- AG Umweltpolitik mit Johanna Salmi, Ingenieurin und ehemaliger Vorsitzenden der SSU-HSG an der königlichen technischen Hochschule
- AG Finanzpolitik mit Experte Roger Persson Österman, Professor für Rechtswissenschaften, Schwerpunkt Steuerrecht an Stockholms Universität
- Präsentation AG Finanzpolitik
Fortschrittliche Politik für Europa, bloß welche und wie?
Seit mehreren Jahren gehöre ich dem von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Polen initiierten „Progressiven Netzwerk 2020“ an. Wir haben aus unseren Debatten ein „Policy Paper“ entwickelt, an dem ich mitgewirkt habe. Ich hoffe, dass trotz der gegenwärtigen, miesen Regierungspolitik durch die Rechtskonservativen und Nationalisten in Polen, unsere Impulse für eine progressive Politik irgendwann doch noch ihre Kraft entfalten werden. Wir haben nach einer kleiner Pause unsere Arbeit im Netzwerk wieder aufgenommen – kurz vor dem Rechtsruck in Polen. Dazu habe ich an dem Erstellen eines thesenhaften Aufrisses, der sich dem Grundsatz „Progressive Politik und Demokratie“ widmet, mitgewirkt; der möge breit diskutiert und kommentiert werden. Eine andere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den sozialen und ökonomischen Bedingungen progressiver Politik. LeserInnen dieses Blogs dürfen gern ihren Kommentar dazu abgeben. Die kommenden Tage mit ihrem besinnlichen, friedfertigen Charakter eignen sich ja besonders dazu, sich solchen Gedanken zu stellen, wie es gelingen kann, progressive Politik in Europa voranzubringen. Hier nun der Aufriss auf deutsch, der auch gern dort drüben auf Englisch kommentiert werden kann. Ich will Eure Anmerkungen gern in den Arbeitsprozess des Netzwerks einbringen: mehr…
Grenzkontrollen in der EU: absurdes Mittel der Politik!
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen und damit die Aussetzung des Schengener Abkommens angekündigt. Ziel sei es, „den derzeitigen Zustrom nach Deutschland zu begrenzen“. Das ist angesichts der beeindruckenden Hilfsbereitschaft für Geflüchtete in den letzten Tagen nicht nur ein herber Rückschlag – es macht auch ein strukturelles Problem der EU offensichtlich. mehr…

Die Vorratsdatenspeicherung ist tot
Die SPD Schleswig-Holstein hat 2009 einen klaren Beschluss gegen die Vorratsdatenspeicherung gefasst und diesen auf dem Landesparteitag am vergangenen Wochenende erneut bestätigt. Diese Position steht im Koalitionsvertrag der Küstenkoalition, der Landtag hat sie mehrfach beschlossen und Torsten Albig hat sie in seiner Landesparteitagsrede noch einmal deutlich bekräftigt. Die Vorratsdatenspeicherung ist tot. mehr…
Europa ist mein Knackpunkt
Es ist bekannt: der Vertrag von Lissabon hat dem Europäischen Parlament viele neue und weitreichende Kompetenzen gegeben. Eine ist, dass der Präsident der Kommission durch die stärkste Fraktion gestellt werden soll; Vorschlagsrecht liegt zwar noch beim Europäischen Rat, aber sie entscheiden nicht mehr wie lange allein. Folglich könnte bei den geneigten Europafans die Hoffnung entstehen, dass die Europawahlen im Mai 2014 ein neues Gewicht erhalten könnten. mehr…
Die Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene
Gehen wir davon aus, das soeben gestartete Mitgliederbegehren gegen die Vorratsdatenspeicherung wäre erfolgreich gewesen, und auch die Bundestagswahl 2013. Nach der schleswig-holsteinischen Landesregierung würde sich also auch eine SPD-geführte Bundesregierung offiziell gegen die Vorratsdatenspeicherung aussprechen.
Welche Möglichkeiten hätte die Bundesregierung auf EU-Ebene, gegen die 2006 beschlossene Richtlinie vorzugehen?
I. Abänderung der Richtlinie
Ein großes Problem stellt das Verfahren dar: zunächst ist zwischen Rahmenrichtlinie (III. Säule, im Rahmen der gemeinsamen Innen- und Sicherheitspolitik) und EG-Richtlinie (I. Säule, im Rahmen des europäischen Binnenmarktes) zu unterscheiden. Eine Rahmenrichtlinie wird im Rat einstimmig beschlossen, ohne Mitbestimmung durch das Parlament. Eine EG-Richtlinie wird hingegen von der Kommission eingebracht, und jeweils durch einfache Mehrheiten in Rat und Parlament bestätigt. In keinem Fall kann hier also die Initiative vom Parlament ausgehen. Ursprünglich hatten die Regierungen eine Rahmenrichtlinie geplant, dann aber davon abgesehen und diese als EG-Richtlinie eingebracht. Eine Klage Irlands dagegen wurde vom Gerichtshof abgewiesen.
Dies bedeutet, das seine Abänderung einem ähnlichen Verfahren folgen müsste. Die Kommission müsste demnach einen Änderungsvorschlag einbringen, der dann von einfachen Mehrheiten in Rat und Parlament bestätigt würde. Dies würde sicherlich nur bei einer überwältigenden europaübergreifenden Bewegung gegen die Vorratsdatenspeicherung funktionieren.
II. Nichtumsetzung der Richtlinie
Die Forderung, dass Deutschland nicht vertragsbrüchig werden solle, scheint auf den ersten Blick schlüssig. Allerdings ist es so, dass Deutschland bereits jetzt schon einige Richtlinien nicht vertragsgetreu umsetzt. Da ich keine genaue Auflistung finden konnte, hier nur ein paar Beispiele:
- die Geldwäscherichtlinie (2005/60/EG). 2011 wurde Deutschland von der Kommission gerügt, da zwei Bundesländer bis jetzt nicht die erforderlichen Aufsichtsbehörden benannt hatten.
- Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG). 2006, nach 14 Jahren, wurde Deutschland vom Gerichtshof verurteilt.
Vertragsverletzungsverfahren, die von der Kommission vor dem Gerichtshof angestrengt werden, sind in der Rechtspraxis der EU keine Seltenheit.
Eine deutsche Regierung könnte sich also durchaus weigern, die Richtlinie umzusetzen, und wüsste sich in der guten Gesellschaft von vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten. Zumal sie noch einen guten Grund dafür hätte: das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 2. März 2010 entschieden, dass das vom Bundestag 2007 verabschiedete Gesetz in großen Teilen verfassungswidrig war, da das Gesetz den strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine solche anlassunabhängige Speicherung nicht genügte. Aber selbst auf EU-Recht bezogen gibt es Zweifel: der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages stellte im Februar 2011 fest, dass die Richtlinie schwer in Einklang mit der Europäischen Grundrechtscharta zu bringen sei. Dies sind durchaus gewichtige Argumente für eine Nichtumsetzung und letztlich für eine Abänderung.
III. Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof
Nun mag man einwenden, dass eine Nichtumsetzung nur eine Lösung von kurzer Dauer ist, denn irgendwann würde die Kommission den Klageweg bestreiten. Eine solche Klage wurde in der Tat in dieser Sache bereits eingereicht. In einem solchen Verfahren steckt sowohl eine Chance als auch ein Risiko: die Chance besteht darin, dass der Gerichtshof ebenfalls eine Unvereinbarkeit der Richtlinie mit der Grundrechtecharta feststellen würde. Dies könnte entweder im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens oder in einem separaten Verfahren (wie diesem) geschehen. Eingriffe in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, wie sie die Vorratsdatenspeicherung darstellen würde, müssen hinreichend gerechtfertigt sein.
Ein Risiko liegt darin, dass der Gerichtshof in einem ähnlichen Fall Schweden verurteilt hat, die Richtlinie umzusetzen, wobei bei dem Verfahren gegen Schweden Grundrechtsfragen eine geringe Rolle spielten. Die Kommission droht mit einer Vertragsstrafe von ca. 300.000 Euro pro Tag. Die Strafe würde jedoch erst greifen, wenn ein Urteil gegen Deutschland verhängt würde, und ist dadurch also nicht rückwirkend (Schweden gelang es sogar, den Vollzug der Strafe um ein Jahr auszusetzen, bis es die Richtlinie umgesetzt hatte). Das finanzielle Risiko wäre also überschaubar. Das größere Risiko liegt in der Frage, was passieren würde, wenn in der Sache der Vorratsdatenspeicherung das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof über Kreuz liegen sollten.
Fazit: am einfachsten wäre es, wenn der Europäische Gerichtshof die Richtlinie für ungültig erklärte. Jedoch würde dieser Weg wie oben beschrieben auch Risiken mit sich bringen und in Anbetracht der durchschnittlichen Verfahrensdauer von zwei Jahren das ganze in die Länge ziehen. Insofern sollte eine SPD-geführte Bundesregierung das Heft des Handels in die Hand nehmen und mit möglichst breiter Unterstützung durch andere Staaten schon 2013 eine Abänderung der Richtlinie erreichen.
Europa durchleuchten
Noch ein Blog! Ein paar Nordlichter wollen aus ihrem Blick europäische Vorgänge oder politische Entwicklungen erklären, kommentieren, hinterfragen, beschreiben, beleuchten. Jeder, der will kann mitmachen. Auch jede, die will. Ich freue mich auf einen spannenden Gedankenaustausch. Und vielleicht gelingt es ja, die europäische Blogosphäre mitzuprägen.
(Test)